PRESSE
Italienische Arien und Kusshände: Jonathan Tetelman gibt Debüt in der Elphi
Einige sprechen bei dem chilenisch-amerikanischen Tenor Jonathan Tetelman vom neuen Startenor, manche nennen ihn sogar den neuen Pavarotti. Am Donnerstagabend hat er sein Debüt in der Elbphilharmonie gegeben. Das erste von insgesamt drei Deutschlandkonzerten.
Bis auf den letzten Platz ist die Hamburger Elbphilharmonie ausverkauft – und sogar darüber hinaus. Einige Zuhörer*innen sitzen hinter dem Orchester auf der Bühne. Sie alle sind gekommen, um Tenor Jonathan Tetelman zusammen mit der Hamburger Camerata unter der Leitung von Frédéric Chaslin zu hören. Auf dem Programm stehen Tenor-Arien aus großen Opern von Verdi, Puccini, Ponchielli und Mascagni.
Britzeln – fast bis zur Schmerzgrenze
Jonathan Tetelman macht schnell deutlich, dass ein phänomenaler Sänger mit unglaublicher Strahlkraft auf der Bühne steht. Wenn er aufmacht beim Singen, britzeln manche Töne so richtig schön auf dem Trommelfell – wie es wirklich nur bei den besten Sängern passiert. Dieses Britzeln kurz vor der Schmerzgrenze: Herrlich! Jonathan Tetelman hat aber auch eine sehr schöne dunkle Farbe, etwas Baritonales, eine warme Erdung in der Stimme.
Die richtige Stimme für das italienische Repertoire

Bevor Jonathan Tetelman seine Laufbahn als Sänger begann, verdiente er drei Jahre als DJ in Diskotheken und Clubs von Manhattan seinen Lebensunterhalt.
Die Arien gestaltet Tetelman geschmackvoll. In seiner Stimme liegt auch das Schluchzige, das für dieses italienische Repertoire von Nöten ist. Der Sänger ist nicht der Typ Tenor, der zeigt, was da in der Kehle sitzt, sondern er singt fein und schön. Damit beeindruckt er das Publikum.
Tetelman hat sich international einen Namen gemacht, singt Partien wie Alfredo in „La Traviata“ oder Pinkerton aus „Madame Butterfly“ an Häusern wie dem Royal Opera House Covent Garden und der Metropolitan Opera. Vor allem hat sich Jonathan Tetelman als Puccini-Sänger einen Namen gemacht. Puccini stand in der Elbphilharmonie auch auf dem Programm, zusammen mit weiteren bekannten Arien. In der ersten Hälfte singt der Tenor zunächst ausschließlich Verdi, in der zweiten Häfte folgten mit Ponchielli, Mascagni und am Ende Puccini weitere italienische Komponisten. Das ist passend, weil er genau die richtige Stimme für dieses Repertoire hat.
Ständiger Wechsel zwischen verschiedenen Arien war mühsam
Grundsätzlich eher schwierig, wie bei den meisten dieser Starabende mit berühmten Sängerinnen und Sängern, ist der Programm-Flickenteppich: Ausschnitte aus den unterschiedlichsten Opern werden zusammengestückelt. Ein ständiges, bisweilen anstrengendes Hin und Her – nicht nur inhaltlich, sondern auch auf der Bühne. Der Tenor singt eine Arie, dann geht er erstmal ab, dann spielt das Orchester eine Ouvertüre oder ein Zwischenspiel, dann tritt der Tenor wieder auf, es gibt wieder einen Applaus, er singt wieder eine Arie, die drei, vier Minuten dauert und geht wieder ab und so weiter. Auf diese Weise entsteht nie ein richtiger großer Spannungsbogen. Mühsam auf Dauer, zumal sich das Orchester nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Das ändert aber nichts daran, dass Jonathan Tetelman jedes einzelne Stück für sich genommen sehr schön singt.
Beifallssturm im Publikum
Das Publikum ist hingerissen von Jonathan Tetelman. Schon nach der ersten Arie erhebt sich ein Riesen-Bravo-Sturm, bereits vor der Pause gibt es die erste Zugabe: Tetelman hat offenbar große Lust, die Verdi-Arie „Di quella pira“ gleich nochmal zu singen. Die gute Stimmung steigert sich zum Ende des Konzertes sogar noch: Bei dem letzten Ausruf „vincerò“ in der Arie „Nessun dorma“ brandet der Beifallssturm des Publikums ins Orchester-Nachspiel hinein.
Charmante Tenor-Gesten
Für den Tenor Jonathan Tetelman ist der Abend ein Riesenerfolg, mit dem er sympathisch und gekonnt umgeht. Er singt in die verschiedenen Richtungen der Bühne, mal nach vorne, mal nach links, nach rechts, nach hinten. Am Ende wirft er Kusshände ins Publikum – eine von vielen kleinen Tenor-Gesten, die er sehr charmant und lässig einfließen lässt. Bei einer Zugabe geht er hinten bei den Menschen, die auf der Bühne sitzen, vorbei und singt sie direkt an. Er weiß, wie man das Publikum einfängt und hat spürbar Spaß daran. Ein großartiges Debüt.